Teil 16: Made in England versus Made in GermanyStandortübergreifende Harmonisierung von Prozessen und DokumentenUrsprünglich veröffentlicht von Bernhard Udri, Dienste für Menschen gGmbH |
Über Geschmack lässt sich streiten, besonders zwischen Engländern und Deutschen. Das erlebte auch die Führung von Pottbäcker, als sie Marketing und Produktion in Deutschland und England zusammenführen wollte. Frau Macchiato suchte eine Lösung, die individuelle Freiheiten und Standards vereint.
Marketingleiter Jäger stürmt ins Büro von Frau Macchiato: „Die Engländer machen, was sie wollen! Sie haben wieder ein eigenes Tassenset entwickelt, ohne uns zu informieren. Das ist kein Pottbäcker-Design mehr. Das verkaufen wir in Deutschland nicht! “
„Ja, aber die Engländer sagen, wir planen im Schwarzwald am grünen Tisch, und unsere Ideen passen nicht zu ihrer Zielgruppe! “ Zwar gibt es mehrsprachige Prozessbeschreibungen, aber ohne Abstimmung zwischen den Standorten nützt das nichts.
Frau Macchiato und Herr Jäger sind sich einig: „Wir müssen das Standortthema angehen! Das bringt auch mehr Akzeptanz für unser integriertes Managementsystem. “ Die Engländer schätzen die Prozesslandkarte, weil sie Struktur und Klarheit schafft. In Potbakersfield wurden viele spezifische Arbeitsanweisungen und Dokumente integriert. Das System wird immer präziser, und Arbeitsplätze erhalten gezielte Informationen und Aufträge. Frau Macchiato möchte dieses System nutzen und den Engländern erlauben, selbst Änderungen vorzunehmen. Gestalterische Freiheit motiviert, sollte aber zentral begleitet und abgestimmt werden.
Jenseits des Ärmelkanals ist vieles anders
„Warum haben wir 2009 einen Standort in England gegründet? “ fragt Frau Macchiato Herrn Pottbäcker Senior. „Ganz einfach,“ antwortet er, „Engländer kaufen gern englische Produkte von Engländern! “ Früher versuchte Pottbäcker, über einen Partnervertrieb in England Fuß zu fassen, scheiterte aber. England bleibt ein wichtiger Markt für Geschirr.
„Warum wurde Potbakersfield unser Standort in England? “ will Frau Macchiato wissen. „Potbakersfield liegt nahe Stoke-on-Trent, der Heimat der englischen Töpfereiindustrie. Wir hofften, dort qualifiziertes Personal zu finden, und hatten Glück. “ Mitarbeiter mit Produktions- und Markterfahrung konnten vor Ort gewonnen werden. Die Unternehmensführung wollte nicht nur bestehende Anlagen kaufen, sondern einen neuen Pottbäcker-Standort aufbauen. „Auf unser neues Werk mit unserem Produktions-Know-how sind wir besonders stolz. “
„Wie sind die Aufgaben zwischen den Werken aufgeteilt? “ Paul Pottbäcker erklärt: „Die Engländer wollen spezielle Produkte und haben einen eigenen Geschmack bei den Dekors. Teegeschirr spielt eine größere Rolle als bei uns. “ Marketing und Vertrieb laufen in England anders als in Deutschland. Die englischen Mitarbeiter gestalten die Abläufe nach Marktanforderungen. In Potbakersfield gibt es eine eigene Produktion, aber keine eigenständige Entwicklung. Diese erfolgt bewusst in Deutschland, um Wissen nicht doppelt aufzubauen und ein einheitliches Produktportfolio zu gewährleisten.
Abbildung - Mehrere Geltungsbereiche managen
Separate Prozesslandschaften als mandatierte Bereiche des globalen Managementsystems
Kampf der Schattendokumentation
Eine Bestandsaufnahme der Abläufe in Potbakersfield war notwendig. Frau Macchiato hatte eine Prozesslandschaft angelegt, die beide Standorte abbildete. In der Realität entstand jedoch eine Schattendokumentation: In Potbakersfield wurden alte Arbeitsanweisungen an das neue System angepasst. Diese Schattendokumentation enthält alle notwendigen Informationen, entspricht aber teilweise nicht den Vorgaben des Vorstands.
Frau Macchiato musste einsehen, dass das Referenzmodell für Deutschland passt, aber nicht für England. Die Fabrik wurde am Reißbrett geplant und hat eine andere Ausstattung, etwa neue Brennöfen. Das beeinflusst die Prozesse.
Die Qualitätsverantwortliche seufzt: „Manchmal fühle ich mich wirklich weit entfernt, und das nicht nur in Kilometern. “ „Ja“, sagt Produktionsleiter Mahler, „das liegt auch an den Mentalitäten. “ Engländer sind höflich und äußerten Bedenken, dass das deutsche Produktionsverfahren in Potbakersfield nicht passt, aber eher indirekt und leise. „Wir Schwarzwälder mit unserer groben Art hatten das nicht ernst genommen,“ bekennt Herr Mahler.
Die englischen Kollegen hatten eigene Wünsche für das Prozess- und Dokumentenmanagement: „Wir wollen uns besser zurechtfinden. “ „Was interessiert uns der deutsche Reisekostenantrag? Wir wollen nur die für unseren Standort relevanten Dokumente und Prozesse sehen, keine Arbeitsanweisungen für deutsche Öfen! “ Und schließlich: „Wir wollen unsere Prozesse, wo sie vom Standard in Schöntal abweichen, auch abweichend modellieren dürfen. “
Standardisierung durch Vorgabeprozesse
Das Ziel war klar: Jeder Mitarbeiter sollte in seiner Prozesslandschaft nur das sehen, was ihn betrifft. Frau Macchiato erinnert sich: „Die Software bietet da etwas, das schauen wir uns jetzt mal genauer an! “ In der Tat können besondere Features genutzt werden:
- Für einzelne Standorte können separate Prozesslandschaften angelegt werden.
- Die Prozesslandschaften sind inhaltlich individuell gestaltbar (Prozesse, Dokumente, Organigramm, Benutzer, Grafik etc.).
- Die Navigation zu Prozesslandschaften wird unterstützt (z.B. durch Aufbau von Standort-Auswahlseiten (Landkarten), Auswahlboxen, Suche).
- Wechselwirkungen zwischen Prozesslandschaften sind mit prozesslandschafts-übergreifenden Input-Output-Mappings darstellbar.
- Vorgabeprozesse können in untergeordnete Prozesslandschaften durchgereicht werden, Änderungen werden ebenfalls durchgereicht.
- Vorgabeprozesse können in untergeordneten Prozesslandschaften partiell angepasst werden, Änderungen ausgesuchter Attribute (z.B. Prozessverantwortung) sind möglich.
- Lokale Prozesse können unterhalb von Vorgabeprozessen erstellt werden, eine Ergänzung lokaler Spezifika auf unteren Ebenen ist möglich.
- Auch Dokumente können als Vorgabe in untergeordnete Prozesslandschaften durchgereicht werden.
- Lokale Administratoren werden bei Änderungen mittels automatisierter E-Mails benachrichtigt.
„Wenn ich das richtig verstehe, haben wir im Endeffekt zwei Arten von Prozessen und auch von Dokumenten“, schließt Frau Macchiato:
- Prozesse bzw. Dokumente, die wir an beiden Standorten nach demselben Standard durchführen (sog. Vorgabeprozesse) und
- individuelle Prozesse bzw. Dokumente, die nur für jeweils einen Standort gelten.
Balance zwischen Freiheit und Steuerung
Geschäftsführer Paul Pottbäcker fragt: „Wenn wir uns auf solch ein Vorgabemodell einlassen, was sind die Vorteile für die Standorte und unser Unternehmen? “ Frau Macchiato zählt auf: „Zielgenaue Information, bessere Motivation, mehr Effizienz und gut vorbereitete Audits. “
Pottbäcker Senior hakt nach: „Und was sind die Risiken? “
„Kontrollverlust bis zu einem gewissen Grad“, gesteht Frau Macchiato ein.
„Aus Gründen der Unternehmensführung bin ich aber dafür,“ betont Paul Pottbäcker. „Wir wollen die Fähigkeiten und Fertigkeiten in der Region nutzen. Mit einer guten Balance zwischen Freiheit und Steuerung können wir Wildwuchs vermeiden. “
„Und weil alle Informationen im System vorliegen und nicht in einer Schattendokumentation, haben wir eine viel größere Transparenz und damit auch eine bessere Steuerungsmöglichkeit“, ergänzt Frau Macchiato.
„Na also, dann ist das entschieden: Wir bauen ein System mit zwei verbundenen Prozesslandschaften auf. Halten Sie mich bitte auf dem Laufenden! “