Teil 8: Allergisch auf Pottbäcker?Normative und gesetzliche Forderungen an ProzessenUrsprünglich veröffentlicht von Achim Gleich, MBtech Group GmbH & Co. KGaA |
Pottbäckers Prozesse gelten seit langem als wasserdicht. Audits bestätigen dies, und die Qualität der Produkte und Dienstleistungen hat spürbar zugenommen. Doch eine heikle Kundenbeschwerde enthüllte eine bislang unbeachtete Schwachstelle: die unzureichende Rechtssicherheit.
„Seitdem mein Kind aus Ihrer Tasse trinkt, hat es eine Allergie! “ Diese Nachricht einer Kundin alarmierte das Reklamationsmanagement. Über alle Managementebenen hinweg diskutierte man lebhaft: „So etwas hatten wir noch nie, normalerweise geht es um defektes Porzellan! “ – „Wie gehen wir jetzt vor, deckt unser Reklamationsprozess solche Fälle ab? “ – „Wofür haften wir und was kann uns im schlimmsten Fall drohen? “ Nach dem ersten Schreck entschied man sich, der Sache systematisch auf den Grund zu gehen:
Validieren
Schritt 1: Grundsätzliche Abklärung
Zunächst stellte man den Vorfall infrage: „Kann das überhaupt sein? “ Dies diente nicht der Verdrängung, sondern der Klärung, ob dieser Fall überhaupt eintreten kann.
Schritt 2: Überprüfung
Man untersuchte Herstellungs- und Lieferprozesse genau: „Gibt es möglicherweise allergene Stoffe in unseren Materialien oder im Fertigungsprozess? “ Dank der detaillierten Prozessdokumentation konnte man dies rasch mit einem beruhigenden „Nein“ beantworten.
Schritt 3: Feststellen
Beunruhigend blieb die Frage zur Rechtssicherheit: „Welche rechtlichen Anforderungen müssen in einem ähnlichen Fall erfüllt sein? “ Herr Mangel, Leiter Reklamationsmanagement, stellte fest, dass hier eine Lücke klaffte. Die gesetzlichen Anforderungen waren nicht aktuell verfügbar und auch nicht bekannt. Ein Mitarbeiter in der Glasurenaufbereitung sagte: „Ich weiß gar nicht, wo ich danach suchen soll. “ Das überraschte nicht, denn der Umgang mit rechtlichen und externen Forderungen war nicht geregelt. Folgende Fragen mussten also geklärt werden:
- Wer ist in welchen Fällen der interne Ansprechpartner?
- Wie werden Änderungen ermittelt und wie intern und ggf. an Lieferanten weitergegeben?
- Was muss getan werden, um diese einzuhalten?
Klärung des Falls und der Anforderungen
Schritt 4: Klärung des Falls
In einem Gespräch mit der Kundin stellte sich heraus, dass der Ausschlag ihres Kindes nicht von den Pottbäcker-Tassen stammte. Doch die Verunsicherung war groß, und man einigte sich auf folgende Ziele:
- Wir wollen zukünftig schneller aussagefähig sein!
- Wie stellen wir sicher, dass immer die aktuellsten Anforderungen bekannt, bewertet und wo zutreffend, umgesetzt sind.
Reklamationsmanager Ernst bat um ein Gespräch mit Qualitätsmanagerin Macchiato. Gemeinsam gingen sie folgenden Fragen nach:
- Wie werden interne und externe Forderungen den Mitarbeitern verbindlich vermittelt?
- Welche Unterstützung bieten Prozessmodell und Software?“
Im Dschungel der rechtlichen Forderungen
Frau Macchiato und Herr Ernst listeten die verschiedenen Bereiche auf, aus denen Forderungen auf das Unternehmen und die Mitarbeiter einstürzen können:
- Regelwerke für die Managementsysteme: Qualitätsmanagement, Umweltmanagement etc.,
- gesetzliche Anforderungen,
- behördliche Anforderungen,
- Kundenanforderungen,
- Werksnormen,
- vertragliche Anforderungen,
- interne Vorgaben und
- organisatorische Vorgaben.
Angesichts der Fülle an Forderungen und der damit verbundenen Informationsrecherche sank zunächst ihr Mut. Wie sollten sie das alles in den Griff bekommen? Und muss das überhaupt sein? Bisher ging es doch auch immer gut! Das Thema löste keine Begeisterung aus, und der potenzielle Arbeitsaufwand machte ihnen Angst. Die Geschäftsleitung gab jedoch zu bedenken, dass eine einzige Rückrufaktion das ganze Unternehmen gefährden könnte – von den Kosten bis hin zum Imageverlust. Deshalb müsse man jetzt die Umsetzung der gesetzlichen Forderungen systematisch angehen. In Audits gab es immer wieder Abweichungen, weil die Normforderungen nicht bis auf alle Arbeitsplätze sicher umgesetzt waren. Das sollte jetzt verbessert werden.
Abbildung: Forderungen am Prozess
Alle relevanten Einzelforderungen verschiedener Kataloge können im Sinne eines integrierten Managementsystems angelegt und mit den Prozessen verknüpft werden.
Durchblick und Sicherheit für alle
Welche Vorteile hat der Aufwand dem Unternehmen letztlich gebracht? Die Rechts- und Regelwerkssicherheit bei Pottbäcker & Partner hat heute ein höheres Niveau erreicht. Organisatorisch ist sichergestellt, dass dies auch auf Dauer so bleibt. Pottbäcker ist nun auf rechtlich brisante Fragen von Kunden oder anderen externen Organisationen gut vorbereitet, und interne sowie externe Audits zeigen keine Abweichungen mehr. Nicht zuletzt hat man auch Vorarbeit für die geplante Integration von Umweltmanagement, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in das Managementsystem geleistet.
Das Dickicht wird gelichtet
Die Vorarbeit, die Prozesse hierfür zu modellieren, war bereits geleistet. Als nächster Schritt wurden forderungsbezogene Dokumente in die Dokumentenverwaltung der Managementsystemdokumentation eingespielt. Dabei handelte es sich um externe Vorgabedokumente wie Gesetze, Verordnungen, Normen, Richtlinien, Kundenvorgaben, aber auch interne Vorgabedokumente wie Rezepturen, Organisationsrichtlinien, Verfahrensanweisungen etc. Die Dokumente wurden den betroffenen Prozessen zugeordnet, sodass sie allen Mitarbeitern direkt für ihren Arbeitsbereich zur Verfügung standen. Das Regelwerk der ISO 9001:2008 wurde als Forderungskatalog in die Software eingegeben. Dadurch konnten alle Einzelforderungen den Prozessen zugeordnet werden.
Jeder Prozesseigner weiß nun genau, welche Forderungen ihn betreffen und welche Fragen er in Audits zu erwarten hat. Frau Macchiato erledigte diesen Arbeitsschritt in zwei Stunden. Mehr Zeit nahm der Schritt in Anspruch, alle Prozesse daraufhin zu prüfen, ob die bestehenden Forderungen eingehalten und die Prozesse gegebenenfalls optimiert werden müssten. Hier setzte Frau Macchiato einen Schwerpunkt für die internen Audits im laufenden Jahr.