Teil 1: Aller Anfang ist schwerAuf dem Weg zur ProzessorientierungUrsprünglich veröffentlicht von Frank Decker, Endress + Hauser Conducta |
Die Unternehmensleitung von Pottbäcker erkannte früh den Nutzen eines Qualitätsmanagementsystems und ließ es 1998 nach der neuen Norm ISO 9001 zertifizieren. Die Anstrengungen zahlten sich aus: Die Zertifizierung gelang und wurde über die Jahre aufrechterhalten. Der Qualitätsmanagementbeauftragte (QMB) und sein Team pflegten die Dokumentation gemäß den Normenkapiteln.
Seitdem wuchs das Unternehmen und wurde mehrfach umstrukturiert, unter anderem durch die Gründung eines Standorts im britischen Potbakersfield. Heute erfordert es großen Aufwand, die Dokumentation aktuell zu halten. Noch schwieriger ist es, die Belegschaft zur Mitarbeit zu bewegen und die Dokumentation zum gelebten Standard zu machen. Die Mitarbeiter empfinden das Qualitätsmanagement als Gängelband, um das Audit zu bestehen. „Das ist die Spielwiese des QMB! “ heißt es hinter vorgehaltener Hand.
Das QM-System wurde bisher nur halbherzig an die neue ISO 9001 angepasst. Zudem möchte die Geschäftsleitung das Qualitätsmanagement in ein integriertes Managementsystem einbinden, einschließlich Umweltmanagement und Arbeitssicherheit. Frau Macchiato, dynamische QMB bei Pottbäcker, fordert die Geschäftsleitung auf, den Nutzen des Managementsystems selbst zu erkennen und zu unterstützen.
Leichter geht´s mit Software
Frau Macchiato wusste, dass eine grundlegende Verbesserung nicht in kleinen Schritten zu erreichen ist. Sie will deshalb ein Projekt starten, bei dem – mit stringenter Methode und Softwareunterstützung – innerhalb von neun Monaten das gesamte System prozessorientiert aufgebaut, vollständig dokumentiert und freigegeben wird. Bei Jahresbeginn soll die erste Rezertifizierung der ISO 9001 auf Basis der neuen Dokumentation erfolgen. Eine einfache Frage stellte sich diesem Vorhaben in den Weg: Was bedeutet eigentlich „Prozessorientierung“?
Man einigte sich auf eine pragmatische Antwort: Tätigkeiten stehen im Vordergrund, nicht die Zugehörigkeit zu Abteilungen! Alle Tätigkeiten wurden konsequent darauf ausgerichtet, dass sie über alle betroffenen Unternehmensbereiche hinweg eine Kette bilden. Diese sollte dazu führen, dass die Kundenwünsche bestmöglich erfüllt werden können.
Abbildung - Prozessmodell
Die Prozesslandschaft von Pottbäcker & Partner
Die Herausforderung
Um die Übersicht zu behalten, wurden Gruppen von Tätigkeiten zu Prozessen zusammengefasst. Ziel war, dass jeder Mitarbeiter in seinen Prozessen alles findet, was er braucht, um diese auszuführen. Im Vorfeld der Rezertifizierung war also zu klären:
- Was soll getan werden?
- Wer soll etwas tun?
- Wie soll es getan werden?
- Mit welchen Inputs von Kollegen?
- Nach welchen Regeln?
- Mit welchen Vorlagen bzw. Dokumenten?
- Welche Ergebnisse müssen erreicht werden?
- Was sind die Erfolgskennzahlen?
- Welche Risiken sind zu beachten?
Notwendige Unterstützung
Es war klar, dass eine erfolgreiche Restauration des QM-Systems nicht ohne Unterstützung laufen würde. Deshalb entschied man sich für eine Softwareunterstützung beim Aufbau eines Dokumentationssystems.
Die Wahl fiel auf die Software N5-Solutions, die webbasiert ist, kaum Einarbeitung benötigt und komplexe Unternehmensabläufe einfach darstellen kann. Frau Macchiato versprach sich von dieser Lösung auch, dass die Mitarbeiter ihre Prozesse und Dokumente künftig selbst pflegen würden und sie sich ihrer eigentlichen Aufgabe zuwenden könnte: der kontinuierlichen Prozessverbesserung.
In drei Schritten zur Prozessdokumentation
Gemeinsam mit dem Softwarehaus wurde ein Projektplan aufgesetzt. Es wurde vereinbart, das Prozessmanagement in einer ersten Stufe für den Hauptsitz in Deutschland aufzubauen und später auf Potbakersfield auszudehnen. Dieses Vorgehen hatte sich schon bei anderen Kunden bewährt. Die Planung zur Umsetzung der bestehenden Managementsystemdokumentation in die „neue“ prozessorientierte Form sieht ein Drei-Phasen-Modell vor:
Phase 1: Aufbau der Prozesslandkarte aus dem Status der aktuell gültigen Dokumentation
- Die QMB als Projektleiterin ist Motor und Motivator des Projekts.
- Sie bildet zusammen mit ihrem Mitarbeiter und der studentischen Unterstützung ein Kernteam.
- Dieses Kernteam sammelt in einer ersten Phase die vorhandenen Informationen zum Managementsystem.
- Zunächst wird eine Prozesslandkarte entworfen.
- Wenn die oberste Ebene sitzt, wird eine erste Reihe von Interviews mit den Prozesseignern geführt.
- Die Interviewrunde dient dazu, alle Prozesse bis auf eine 3. Ebene hinunter zu strukturieren. Hier wird bewusst erst einmal Schluss gemacht; eine tiefere Detaillierung wird – wo sinnvoll – zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen.
- Im Anschluss werden die Prozesseigner in ihren Abteilungen an der Prozessstruktur weiter feilen. Außerdem haben sie die Aufgabe für jeden Prozess die Prozess- und Durchführungsverantwortlichen zu definieren.
- Auch mitgeltende Dokumente sind zu sammeln, in die Datenbank einzugeben und an die Prozesse anzubinden.
- Dabei wird klar, wie viel nützliche Informationen vorliegen, die bisher brach lagen.
- Nun wird die Q-Abteilung immer häufiger von den Prozesseignern besucht, die ihre Ergebnisse einpflegen wollen.
- Schon zu diesem Zeitpunkt wird die Dokumentation allen Mitarbeitern über das Intranet zugänglich gemacht.
Phase 2: Schrittweise Optimierung der Prozesse
- In einer zweiten Workshop-Runde wird das Thema Wechselwirkungen eingeführt.
- Für jeden Prozess wird genau definiert, was dessen In- und Outputs sind und von welchen internen Kunden- bzw. Lieferantenprozessen sie stammen.
- Nun haben die Mitarbeiter ein Instrument, um selber miteinander die Abläufe bei Pottbäcker zu optimieren.
- Auch in dieser Phase wird das Q-Büro stark frequentiert.
- Das Gesamtergebnis wird mit den Forderungen der ISO 9001 verknüpft.
Phase 3: Freigabe der Dokumentation und Vorbereitung der Rezertifizierung
- Das Ergebnis wird der Geschäftsleitung vorgestellt und im Anschluss daran freigegeben.
- Der Auditor möchte für die Dokumentenprüfung vorab Prozessbeschreibungen zugeschickt bekommen. Diese werden auf Knopfdruck aus der Datenbank generiert.
- Beim Vor-Ort-Besuch zeigt sich, dass eine Dokumentenprüfung direkt in der Software viel komfortabler ist.
- Nach erfolgreicher Auditierung wird bereits der nächste Schritt, die Einführung und Zertifizierung des Umwelt und Arbeitssicherheitsmanagements, in Angriff genommen.