Teil 21: 100.000 gute Argumente für ein Energie-ManagementsystemUrsprünglich veröffentlicht von Frank Decker, Endress+Hauser Conducta GmbH+Co. KG |
Mit der staatlichen Förderung von zertifizierten Energiemanagementsystemen in Deutschland erlebt das Energiesparen eine Renaissance. Auch Pottbäcker & Partner, ein klassischer Fertigungsbetrieb mit hohem Energiebedarf, lässt sich von der Energiewelle mitreißen. Das Energiemanagementsystem bei Pottbäcker konnte zudem mühelos in das bestehende Prozessmodell integriert werden.
„Sag mal, neulich hast Du so flapsig gesagt: Es gibt 100.000 gute Argumente für ein Energiemanagementsystem. Was hast Du denn damit gemeint?“ fragt Frau Maigret aus dem Marketing.
„Das bedeutet, dass das Energiemanagement boomt, weil Vater Staat sonst weder Entlastungen über den Spitzenausgleich bei der Energie- und Stromsteuer gewährt noch uns eine Reduktion bei den Abgaben zur Förderung erneuerbarer Energien ermöglicht. Die 100.000 guten Argumente sind jährlich 100.000 schöne Euros für uns.“ erklärt Herr Wiese, der Energiemanagementbeauftragte bei Pottbäcker.
„Also machen wir das nur, weil wir faktisch dazu gezwungen sind?“ hakt Maigret nach.
„Nein, Du kennst doch unseren Chef, Paul Pottbäcker. Der Umweltschutz ist ihm ein persönliches Anliegen. Beispielsweise ist unser neues Verwaltungsgebäude energetisch so optimiert, dass der Energieverbrauch um 58 Prozent gesenkt werden konnte. Damit haben wir sogar einen Preis für energieeffizientes Bauen gewonnen.“
Gute Argumente für die Einführung
Diese positive Erfahrung hat alle motiviert, auf dem Thema weiter aufzubauen. Doch die Gründe für die Einführung eines Energiemanagementsystems sind vielfältig:
- Unser Unternehmen leistet einen Beitrag zum globalen Ressourcen- und Klimaschutz.
- Unser Unternehmen reduziert Energiekosten.
- Unser Unternehmen reduziert seine Steuer- und Abgabenlast.
- Unser Unternehmen wird positiv am Markt wahrgenommen.
- Unser Unternehmen betreibt Risikovorsorge und wird so zukunftsfähig: schon jetzt stellen wir uns auf knapper werdende Ressourcen und steigende Energiepreise ein.
„Aber wir haben doch immer schon Energie gespart. Warum denn jetzt der Aufwand mit dem Managementsystem?“ wirft Frau Maigret ein. „Ist das nicht eigentlich einer der üblichen zahnlosen Papiertiger?“
Was bringt Energiemanagement in der Fertigung?
„Komm, lass uns mal in die Produktion gehen und mit Herrn Brenner reden. Der ist nicht parteiisch und wird Dir die ungeschminkte Wahrheit sagen.“ erwidert Herr Wiese.
Herr Brenner erklärt: „Ja, mein erster Gedanke war: Warum muss ich das jetzt auch noch machen? Aber Du weißt doch, wir sind sehr energieintensiv, weil das Brennen bei sehr hohen Temperaturen von bis zu 2000°C und das Trocknen wesentliche Bestandteile des Produktionsprozesses sind. Und im Arbeitsalltag war bisher einfach keine Zeit, die Energiesparpotenziale systematisch zu erschließen. Am besten finde ich, dass wir jetzt endlich genau wissen, welche Anlage und welche Prozesse wieviel Energie verbrauchen.“
Frau Maigret: „Hab ich das richtig verstanden, es geht um ZDF - Zahlen, Daten, Fakten?“
„Ja, genau“, erwidert Brenner. „Und diese Tatsachen sind die Basis, um Paul Pottbäcker zu überzeugen, die richtigen Dinge im Haus zu veranlassen und dafür auch Geld in die Hand zu nehmen.“
„Also, lasst den Zahlen und Worten nun Taten folgen!“ lacht Maigret.
In drei Schritten zum Energiemanagement
Schritt 1: Zahlen – Daten – Fakten
Verbraucher identifizieren und ihre Verbräuche messen und bewerten
Herr Wiese erinnert sich: „Ganz wesentlich ist es, in einem ersten Schritt alle Energieverbraucher zu ermitteln. Wir haben dazu eine Komplettaufnahme aller, wirklich aller, nicht nur der großen Verbraucher gemacht. Wir haben jede Maschine, jede Pumpe usw. analysiert nach Leistungsaufnahme, Laufzeiten etc. Hauszähler pro Gebäudeteil waren vorhanden, aber wir wollen ja mehr. Zusätzliche Zähler, die wir alle zentral auslesen können, haben wir dort installiert, wo relevantes Optimierungspotenzial ist. Die zukünftige Messung aller Stellen ist geplant.“
„Was hat denn dieser Mords-Aufwand gebracht?“ fragt skeptisch Frau Maigret.
„Na, dass wir gesehen haben, wo unsere Hauptverbraucher sind. Und dass wir erkannt haben: Kleinvieh macht auch Mist (z.B. die Beleuchtung). Und dass wir jetzt eine Prioritätenliste haben mit bewerteten Einsparpotenzialen. Und weil ein Bild mehr sagt als tausend Worte haben wir die Hauptverbraucher und Ströme als Sankey-Diagramm dargestellt.“
Details verstellen den Blick auf´s Wesentliche
Bei der Prozessmodellierung galt das Motto „Vollständig und durchgängig statt detailverliebt!“ Frau Macchiato hatte sich in der ersten Phase an ein Drei-Ebenen-Modell gehalten. Die Maßgabe der Modellierung war, in der ersten Runde die Hauptprozesse zu konstruieren (dies sind Prozesse, die auf der obersten Ebene sichtbar sind) und jene Prozesse, die in den zwei Ebenen darunter liegen (s. Prozessmodell).
Die Prozessmodellierung nach diesem Schema erfolgte in einer einzigen Workshop- Runde und brachte allen Beteiligten ein echtes Erfolgserlebnis. So entstand sehr schnell ein Modell des gesamten Unternehmens, das Pottbäcker zuvor nicht hatte. Jeder kannte zwar seine Arbeitsbereiche, aber ein Überblick und die Möglichkeit direkt in „Kunden-/Lieferantenprozesse“ zu wechseln, fehlte. Die Detaillierung von Prozessen in eine tiefere Ebene war von vielen Prozesseignern ausdrücklich erwünscht und wurde deshalb zu einem späteren Zeitpunkt realisiert – bis hin zu Flowchart-Darstellungen.
Die konsequente Strukturierung des Prozessmodells von oben nach unten (top-down) gibt nun allen Mitarbeitern die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, in welcher Detailtiefe sie Unternehmensabläufe betrachten wollen.
Erst die Kür, dann die Pflicht
Frau Macchiato, das Kernteam und die Prozesseigner haben die Pottbäcker-Prozesse in einer Weise modelliert, wie es dem Aufbau der Firma entspricht – und wie sie die Mitarbeiter verstehen. Sehr oft haben sich die Prozesseigner auch aktiv in den Aufbau der Prozessstrukturen eingebracht, in dem sie selbstständig die Prozesse in den N5-Solutions angelegt und im Prozessmodell angeordnet haben. Überhaupt haben noch nie so viele Leute über ihre Arbeit und warum sie so getan wird, wie sie getan wird, bzw. was besser werden könnte, diskutiert wie in den letzten drei Monaten.
Es wurde bewusst nicht hierarchisch nach Abteilungen und erst recht nicht nach der Kapitelstruktur der ISO 9001 modelliert. Erst nachdem das Prozessmodell in den drei Ebenen stand, wurde die ISO-Norm zu Rate gezogen. Man stellte fest, dass noch ein paar der so genannten Pflichtprozesse fehlten. Die Dokumentenlenkung, das Management von Maßnahmen oder von Audits erfolgt mit Hilfe einer Software. Dennoch entschied man sich dafür, auch diese Prozesse mit dem Drei-Ebenen-Prozessmodell zu beschreiben. So entstand ein sauberes Unternehmens- Prozessmodell. Es bietet ein Tätigkeitsbild des Gesamtunternehmens, das vorher so nicht vorhanden war und weder vom Management übergestülpt wurde noch reines Wunschdenken ist.
Das Prozessmodell ist jetzt die Basis, um alle weiteren Fragen zu klären: Wer ist verantwortlich? Was wird benötigt? Und was kommt dabei heraus?