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Teil 20: Potcup 2.0 – von der Idee zum neuen Produkt

Ursprünglich veröffentlicht von Markus Möller, Sven Kurzberg, EDAG GmbH & Co. KG aA

 

Auf der Haushaltswarenmesse HomeTek wird das neueste Produkt von Pottbäcker & Partner vorgestellt: Potcup 2.0 – die selbstheizende Tasse. Bei den Einkäufern stößt dieses Modell auf reges Interesse und Lob. Der Entwicklungsprozess inklusive Quality Gates ist es aber, der dieser Produktinnovation den Weg bereitet.

„Sie haben immer so tolle Ideen, richtig verrückte Sachen. Ihr Entwickler müsst ja ein verrückter Haufen sein!“, feixt Herr Seiter, Einkäufer von Kaffee-Mondo.
„Ach, wissen Sie was: Das Erfolgsgeheimnis ist, dass wir zwar verrückte Ideen haben, diese aber über einen sehr stringenten Entwicklungsprozess umsetzen. Akribisch, genau und regelgeführt“ Frau Jacobsen, die als Entwicklungsleiterin auch mal Messeluft schnuppern möchte, lächelt stolz. 

„Dafür fallen Sie auch nicht in die Kategorie: Immer was Neues,  aber selten was Gutes.“, lobt Herr Seiter.

„Erzählen Sie doch mal, wie der Potcup 2.0 entstanden ist!“ 

Von der Idee zur Geschäftschance!

„Eine Kollegin kam und sagte: Das wäre doch cool, wenn meine Tasse bei der Arbeit den Kaffee warm hält. So oft vergesse ich, ihn rechtzeitig zu trinken, ärgere mich und schütte ihn weg. Die Kollegen haben die Idee dann ein bisschen weiter gesponnen und ein einfaches Konzept erstellt.“, erklärt Frau Jacobsen:

  • Eine Induktionsplatte auf dem Tisch ist an den Strom angeschlossen.
  • Die Tasse hat unten (in die Keramik eingeschlossen) eine Heizspirale/Wendel, die Energie aufnimmt.
  • Beim Aufsetzen der Tasse auf die Induktionsplatte wird diese aktiviert, aber die Platte bleibt kalt.
  • Das Getränk in der Tasse wird bei konstanter Temperatur warm gehalten

„Nach der ersten Idee waren wir vom Vertrieb zuständig.“ mischt sich Herr Hoffner in das Gespräch am Pottbäcker-Messestand ein. „Wir haben ein Team, das die Ideen aufnimmt, bewertet und als Grobkonzept ausarbeitet. Dieser vorgelagerte Prozess wurde im Rahmen des Projekts „Potcup 2.0“ optimiert. In der Vergangenheit wurde manche Idee, die erst einmal abwegig erschien, nicht systematisch bewertet. Etliche Chancen haben wir damals nicht genutzt.“ (Beispielprozess in Pottbäckers Prozesswelt: „Geschäftschancen entwickeln“)

Ja und was macht dieses Team dann genau?“, fragt neugierig Herr Seiter. 
„Kern der Arbeit ist eine Studie mit Markt-, Konkurrenz- und  Nachfrageanalyse, einer Definition von Zielkunden, Prognose der Stückzahl sowie Dimensionierung des Preises. Ganz wichtig ist auch eine erste Abschätzung der technischen Machbarkeit und eine erste Definition der Produkteigenschaften. Bei Potcup 2.0 kam heraus, dass wir uns speziell auf Büroausstattung als Zielsegment konzentrieren sollten und dass die Hälfte des Absatzes in Großbritannien zu erwarten sei. Es war dann klar, dass Potcup 2.0 in zwei Varianten auf den Markt kommen muss: als Kaffeetasse und als Teetasse.“

Produktentstehungsprozess á la Pottbäcker

So einfach der Weg von der Idee zur Geschäftschance sein mag, so beschwerlich ist die Realisierung. Die Entwicklungsabteilung war nun gefordert, ein Projekt aufzusetzen, das die einzelnen Produktentstehungsphasen mittels Quality Gates absichert.

Quality Gate 0

Das erste Qualitätstor ist die Entscheidung des Projektteams, ob eine Geschäftschance weiter verfolgt wird oder nicht. Für „Potcup 2.0“ bedeutete das die Freigabe von Ressourcen für die Entwicklung und den offiziellen Entwicklungsstart.

Phase 1: Die Konzeption

Bei der Konzeption sind natürlich wir gefragt!“, wirft Frau Jacobsen ein. „Ganz neu für uns bei Pottbäcker war ja, dass der Pott 2.0 kein rein keramisches Produkt ist, sondern dass Technik in der Tasse ist. Von Anfang an war klar: da muss eine zweite Partei mit ins Boot, die die Kompetenz für die elektrischen Teile mitbringt.“
In der Konzeptionsphase wird viel experimentiert: Wie könnte so ein Oberteil aussehen und funktionieren? Wie könnte das Unterteil aussehen? Welches Heizsystem kommt dafür in Frage? Hat es einen USB-Anschluss oder ein Kabel für die Steckdose? Soll die Tasse nur warmhalten oder auch aufheizen? Diese technische Ideenentwicklung lief parallel zur Entwicklung erster Ideen zu  Design und Dekor.
Am Ende dieser Phase lag eine Vielzahl an Informationen vor, vom ausgearbeiteten Business Case über das Produktkonzept mit unterschiedlichen Alternativen bis zu den Eckdaten von Umweltzielen mit quantitativen Recyclingzielen. Als schließlich alle Daten vorlagen, erfolgte die Bewertung im Quality Gate 1.

Quality Gate 1

Das Ergebnis des Quality Gate 1 war die Entscheidung für das Produktkonzept „Potcup 2.0“, dessen Entwicklung weiter nun verfolgt wurde.

Phase 2: Konstruktion und Design

„In der nächsten Phase ist der Potcup 2.0, so wie er jetzt vor ihnen steht wirklich definiert worden. Die Konstruktion der bevorzugten Variante erfolgte so, dass die CAD-Daten freigabefähig für die Prototypen erarbeitet wurden und die Baubarkeit bestätigt war. Dann wurden Design- und Dekorvarianten entwickelt, auch unter Berücksichtigung von Ergonomie, Gesetzen und Vorschriften.“, erklärt Frau Jacobsen.

„Und wie kann ich als Einkäufer sicher sein, dass Ihr Potcup 2.0 wirklich einzigartig und neu ist?“, fragt Herr Seiter.

„Na wegen der Patentrecherche, die wir in dieser Phase machen. Das machen wir schon aus Eigeninteresse, um  im Falle eines Falles die Notbremse ziehen zu können, falls irgendjemand so etwas wie den Potcup 2.0 bereits geschützt hat.“, antwortet Herr Hoffner.

Quality Gate 2

Das Ergebnis von Quality Gate 2 ist die Festlegung auf eine Variante und die Freigabe der Prototypenphase.

Phase 3: Alles rund um den Prototypen

Einzelne Komponenten testen
Nun wurden Prototypen für einzelne Produktkomponenten entwickelt, hergestellt und erprobt: Keramische Komponenten, die elektrische Komponente und die Verpackung.
 „Das geschah selbstverständlich nicht alles bei uns: Die Elektrik haben wir zugekauft. Da war es auch nicht damit getan, eine Heizspirale zu kaufen, sondern die Firma E-Heat musste speziell für uns eine Lösung finden. Die Anforderung war: Warmhalten von Flüssigkeiten in einer Tasse. E-Heat war deshalb auch schon seit der Konstruktionsphase mit einbezogen.“, erläutert Frau Jacobsen.

Es war eine gute Entscheidung, dieses technische Problem auszulagern. Denn der Lieferant muss hinterher für die Funktion geradestehen. 
„Da haben Sie uns ziemlich gefordert. Aber wir fanden  es alle gut, so intensiv und doch selbständig zusammen zu arbeiten“, meint dazu Herr Heizer von E-Heat.

Das Ziel, die Absicherung, dass alle Komponenten den Anforderungen entsprechen, war damit erreicht. Jetzt konnte der zweite Prototypenschritt getan werden.

Das Gesamtprodukt testen
Der Ablauf von Prototypenphasen ist immer derselbe: Die Erprobung planen, die Prototypen herstellen, die Prototypen testen, die Tests auswerten.

„Auch da waren wir beteiligt.“, sagt Herr Heizer. „Im ersten Schritt hatten wir die Spirale erprobt. Anschließend bekamen wir einen ersten Prototyp mit verbauter Spirale und sollten diesen testen.“

„Und bei uns im Haus ist das parallel genau so gelaufen.“, ergänzt Frau Jacobsen.

 

Quality Gate 3

Die nächste Pforte, das Quality Gate 3, wurde durchschritten, als die Prototypen gebaut und getestet, die Ergebnisse ausgewertet und notwendige Maßnahmen abgeleitet waren. Die CAD-Daten und Stücklisten waren jetzt serienreif, das Pflichtenheft bereit zur Freigabe. Mit dem Quality Gate 3 wurde die Vorserie freigegeben.

Phase 4: Der Serienanlauf

„In dieser Phase haben wir erste Produktchargen getestet, letzte Fehler behoben und weiter optimiert.“, erinnert sich Frau Jacobsen. „Da haben wir noch ein paar Schleifen gedreht. Die Passgenauigkeit der elektrischen Teile war nicht perfekt, die Materialschrumpfung der keramischen Teile mussten wir noch einmal neu berechnen. Aber das alles ist jetzt vergessen, da wir das tolle Ergebnis sehen.“

Quality Gate 4

Mit dem Quality Gate 4 wurde die Serie freigegeben. „Und die Verantwortung für die Herstellung geht von Ihnen auf die Produktion über. Da können Sie sich endlich zurücklehnen.“,  wirft Herr Seiter ein.
„Nicht ganz. Wir schließen immer Wetten ab, wie lange es dauert, bis erste Rückmeldungen von den Kunden kommen oder bis  der Vertrieb sich Varianten vom Potcup 2.0 wünscht.“, korrigiert Frau Jacobsen.

Und Herr Hoffner fährt fort: „Ja, dann geht alles von vorne los. Die sagen: Könnt Ihr nicht einfach einen Potcup 3.0 machen, der auch kühlen kann? Das kann doch kein Problem sein!“ 
„Und wir werden antworten: Auch dazu haben wir einen Prozess! Pott 3.0 wird nur funktionieren, wenn wir uns wieder an diesen bewährten Prozess halten. Das heißt, der erste Schritt ist: definiert erst einmal Eure Anforderungen an den Potcup 3.0 und lasst diese Geschäftschance bewerten. Dann könnt Ihr wieder kommen.“, fügt Frau Jacobsen schmunzelnd an.

Und was haben wir aus diesem Projekt gelernt?

Das Image des verschrobenen Tüftlers hat nichts mit der Arbeitsweise professioneller Entwickler zu tun.

  • Oft fehlen in Entwicklungsprojekten simple Vorgaben: Was genau soll das neue Produkt können? Wie lange soll es halten?
  • Eine Idee braucht saubere Standardprozesse und deren systematische Anwendung
  • Ein Entwicklungsprojekt braucht den Antreiber und Kontrolleur, der dafür sorgt, dass wir unsere selbst gesetzten Vorgaben auch einhalten. Ich muss die anderen immer einfangen und wieder auf den Pfad der Tugend bringen.  
    „Wer Ordnung zum Gesetz macht, muss sie zuerst halten.“
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