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Teil 17: Think global - Act local

Ursprünglich veröffentlicht von Michael Walther, Bertrandt AG

 

Mit den guten Erfahrungen eines IT-gestützten Business Process Managementsystems reifte bei Pottbäcker & Partner der Wunsch, dieses System auf den englischen Standort zu übertragen. Kaum war jedoch bekannt, dass die beiden Produktionsstandorte Potbakersfield und Schwarzwald vollständig in einem gemeinsamen System abgebildet werden sollten, wurden schon die ersten Bedenken geäußert. Nun waren Fingerspitzengefühl und eine perfekte Vorbereitung gefragt.

Die Stimmung in der Belegschaft von Potbäcker war geteilt: „Das ist mir eigentlich zu viel Transparenz. Ich will nicht, dass die anderen Bereiche sehen, was wir hier tun. Die können das doch gar nicht richtig beurteilen“, sagten die einen, andere sahen es so: „Na endlich, dann können die in Potbakersfield nicht mehr machen, was sie wollen.“ Und aus Potbakersfield hörte man: „Wir hatten hier so viele Freiheiten. Werden wir zukünftig von den Deutschen dominiert?“ 

Frau Macchiato wusste, dass die zentrale Herausforderung bei der Anbindung des britischen Standorts darin bestehen würde, die Vorteile der Integration erlebbar zu machen. Denn nur wenn die Akzeptanz der Mitarbeiter gewonnen wird, kann ein Managementsystem mit Leben erfüllt werden. Bevor jedoch diese Vision wirklich würde, waren noch einige Schritte zu tun. Akzeptanz erfährt ein System nur dann, wenn es funktioniert und Vorteile bringt. Und zum Aufbau eines Prozessmanagements bedarf es erfahrener Experten. 

So stellte sich auch die Frage, wer das Projekt leiten sollte. Frau Macchiato erklärte: „Gesteuert wird das Projekt von unserem kleinen zentralen QM-Team, das heißt von ihnen Herr Wiese und von mir . Und Robert Spencer wird unser zentraler Mitspieler in Potbakersfield sein.“ Mister Spencer ist seit Beginn des Monats neu in Potbakersfield und als Standortbeauftragter für das Qualitätsmanagement des Werks zuständig. Er hat dabei auch eine vermittelnde, ausgleichende Funktion. „Und er achtet darauf, dass die Beschreibungen in England der Philosophie der Pottbäcker-Gruppe entsprechen!“, ergänzte Joachim Wiese „In die Projektleitung gehört auch unser Pottbäcker-Senior, um zu entscheiden, welche Prozesse Standard für beide Standorte sind und wo gewisse Freiheiten bestehen“, fand Frau Macchiato. „Du meinst, um festzulegen, wo die Freiheit beginnt, individuelle Prozesse zu gestalten?“, entgegnet Robert. „Ja, das ist der Kern der Entscheidungen!“ Natürlich zählen auch alle Mitarbeiter und potenzielle Prozessverantwortliche aus Pottbakersfield zur Mannschaft, denn letztlich sitzen alle im selben Boot.

So gehen wir vor!

Beim ersten internationalen Treffen des Qualitätsmanagement-Teams wurde der Ablauf geplant. „Bevor es richtig losgeht, sollten wir vorarbeiten“, sagt Frau Macchiato. „Beispielsweise sollten wir das Organigramm von Potbakersfield eingeben. So dass beispielsweise ein Mitarbeiter der Produktion in Potbakersfield vom System genau seine spezifischen Prozesse und Dokumente angezeigt bekommt. 

„Müssen wir sonst noch etwas beachten, bevor es losgehen kann?“, fragt Robert. „Nein, das wichtigste ist, dass die erste Prozesslandschaft konsolidiert ist und das ist sie! Wir wollen ja keine Prozesse nach England weiterreichen, von denen wir selber noch nicht so ganz überzeugt sind.“

Schritt 1: Klären, welche Prozesse verbindliche Vorgabe sind

In einem Treffen mit Unternehmensleiter Paul Pottbäcker wurde die Prozesslandkarte diskutiert. Dabei wurde nach zwei Kriterien entschieden:

  • Ist dieser Prozess ein Vorgabeprozess, also ein standortübergreifender Standard? 
  • Falls ja: bis zu welcher Ebene, bis zu welchem Detaillierungsgrad ist er Vorgabe?

So entstand eine erste Liste von Prozessen, die auf jeden Fall Vorgabe sind. Dazu zählen die Unternehmenspolitik, die Finanzen mit dem Geschäftsjahresplan, die finanzielle Berichterstattung, die produktionsspezifischen Kennzahlen und die Mitarbeiterzufriedenheit. Kurz: Alles, was Paul Pottbäcker von der Gruppenebene steuert oder für das Gesamtunternehmen auswertet.

Daneben gibt es eine zweite Liste von Prozessen, bei denen man erst bei genauerem Hinsehen entscheiden kann, ob sie Vorgabe sind. Ein Beispiel dafür ist der Prozess „Geschäftschancen entwickeln“. Beim ersten Gespräch war nicht klar, ob hier gemeinsame Regeln eher hinderlich oder förderlich sind. Ähnlich verhält es sich mit dem Prozess „Personal managen“. Hier sind die Regeln so länderspezifisch, dass ein einheitlicher Prozess wohl kaum Sinn macht. „Vielleicht teilweise, wie bei der Personalentwicklung“, räumte Herr Schmidt, Leiter der Personalabteilung, ein. Letztlich oblag es den Bereichsverantwortlichen gemeinsam mit einem Vertreter des Qualitätsmanagements, in standortübergreifenden Teams zu erarbeiten, was die beste Lösung für die Unternehmensgruppe ist.

In den nun folgenden Gesprächen wurden unterschiedliche Sichtweisen kontrovers diskutiert. Ein Grundkonflikt bestand darin, dass die Standorte möglichst viel Freiheit wollen, das Qualitätsmanagement aber naturgemäß auf Einheitlichkeit setzen muss. Frau Macchiato ging in dieser Situation wie beim Aufbau der ersten Prozesslandschaft vor: Sie moderierte die Gespräche, machte Vorschläge, ließ aber die Prozesseigner entscheiden, ob diese die Prozesse doppelt modellieren wollten oder nicht. Im Stillen dachte sie manchmal: „Die Zeit wird Wunder wirken. Durch die Software wird ja jetzt erst richtig klar, dass die Vorgänge hier und in Potbakersfield kaum voneinander abweichen. Und wer will schon gern doppelte Arbeit? Im Laufe der Zeit wird sich vieles von alleine regeln.“

Ein zweites wichtiges Ergebnis war, dass die potenziellen Vorgabeprozesse gründlich hinterfragt wurden. So kam es zu etlichen Verbesserungen in den Prozessen!

Und es gibt eine dritte Liste von Prozessen, die nicht Vorgabe sind. Facility Management ist hier ein gutes Beispiel. „Aber wenn ein Prozess nicht Vorgabe ist, bedeutet das nicht, dass ich hier in meinen Entscheidungen frei bin“, bemerkte Stanley Henderson, Facility Manager für Potbakersfield. Denn es gibt gesetzliche Anforderungen, die lokal auch einen großen Aufwand bedeuten können und unbedingt eingehalten werden müssen.

Schritt 2: Die Prozesslandschaft Potbakersfield gestalten

Nachdem nun die Inhalte klar waren, die Potbakersfield vom Schwarzwald übernehmen sollte und wollte, wurde in der Software die Prozesslandschaft für das Werk Potbakersfield angelegt. „Das ist ja eine Sache von zehn Minuten!“, freute sich Frau Macchiato. Und damit war die Bahn frei für eigene Prozesse und eigene Details zu den vorgegebenen Prozessen.

Ergänzend wurden alle Dokumente aus Potbakersfield ins System eingepflegt „Zum Glück geht auch das so leicht! Wir übernehmen erst einmal den Status Quo und binden die Dokumente einfach an die Prozesse an.“ „Aber das ist doch schon ein Riesenvorteil für uns in Potbakersfield“, sagte Robert Spencer. „Jetzt hat niemand mehr Dokumente in seinen Schubladen. Alles ist in einem System! Und trotzdem sehe ich in der Landschaft Potbakersfield nur die Prozesse und Dokumente, die auch wirklich uns betreffen.“

Gute Erfahrungen und neue Erkenntnisse

„Na, das sieht ja so aus, als ob Ihr das neue System akzeptiert!“, freut sich Frau Macchiato. „Ja besonders die gemeinsamen Gespräche über die Prozesse haben uns weiter gebracht. Wir hatten die Möglichkeit, gemeinsam zu klären, was für die Pottbäcker-Gruppe Sinn macht und bei jedem Thema zu entscheiden: Marschieren wir gemeinsam oder getrennter Wege?“ stellt Robert Spencer fest.
Etliche Prozesse konnten gemeinsam geklärt und vereinfacht werden. Das scheint eine typische Entwicklung zu sein: Zuerst werden Prozesse ausführlich und kompliziert beschrieben, dann können sie vereinfacht und an die Realität angepasst werden. Und wenn Paul Pottbäcker demnächst ein Werk in Italien zukauft, muss sich niemand Sorgen machen. Eine Prozesslandkarte mit den nun erarbeiteten Gruppenstandards und Vorschlägen für lokale Prozesse würden die Italiener auf Knopfdruckt geliefert bekommen.

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